Aktualisiert 29.09.2024

Heemskerk 1638

Text und Fotos: Horst Schuller

Im August 1642 verließen zwei Schiffe den Hafen von Batavia unter der Leitung von Abel Janszoon Tasman und Francois Jacobszoon Visscher zu einer berühmt gewordenen Entdeckungs- und Rundreise südlich des 46. Breitengrades. Dabei entdeckten sie unter anderem, bei der Suche nach dem unbekannten Südland, das westliche Australien, das spätere Tasmanien.
Die gewählten Schiffe waren zum einen die Jacht (Pinas) HEEMSKERK 1638 mit einer Größe von 120 tons, und zum andren die Fleute ZEEHAAN mit einer Größe von 200 tons.
Diese spannende Geschichte wurde in dem Buch „Die Schiffe Abel Tasmans“ mit Plansatz von Ab Hoving und Cor Emke veröffentlicht.
Meine besondere Aufmerksamkeit galt nach dem Lesen des Buches der Jacht HEEMSKERK, die ich im Maßstab 1:69 in Spantenbauweise nachbauen wollte.

Dazu war es nötig, die enthaltenen Pläne (1:75) per Kopierverfahren auf den von mir gewünschten Maßstab zu bringen.

Zur Veranschaulichung und Begriffsklärung der Innenstrukturen zeigt das Bild den Verlauf und die Bezeichnung der Decks.

Was die Baumethode für dieses Modell angeht, wollte ich mich dicht an der altholländischen Bauweise „shell-first“ orientieren. Das bedeutet vereinfacht, daß zuerst im Bodenbereich eine Plankenschale gelegt wird, wie im Bootsbau, und danach die entstandene Schale mit den jeweiligen Spantenteile: (Bodenwrangen, Sitzer und Auflager) aufgefüllt und stabilisiert wird. So geht es dann in entsprechendem Rhythmus aufwärts. Zu Beginn habe ich den Kielbalken und die Steven aufgerichtet und in der Folge auch die ersten Planken und Bodenwrangen angefügt
Im Logbuch 2/2018, S.79-81 (Nachbau des Expeditionsschiffes von Willem Barents ) erklärt der Schiffbaumeister Gerald A. de Weerdt diese Abläufe mit Zeichnungen und die dazugehörigen Bildern vom Bau des Schiffes.

Zum bessere Erklärung hier die einzelnen Baustufen:

Allerdings musste ich für den aufgehenden Teil mit verschiedenen Schablonenarten experimentieren, damit mir die Form nicht aus den Fugen geriet. Ich kann nur sagen: „wer zaubern kann ist im Vorteil“.
Zur Stabilisierung des Ganzen, fügte ich die unteren Berghölzer frühzeitig als Versteifung an. Wobei ich deren vorderen gekrümmten Teil nicht bog, sondern in ihrer Form aussägte und anpasste. An den Außenseiten konnte ich dann die Beplankung vom Kiel bis zum ersten Bergholz hochziehen.

In der entstandenen „Schale“ fanden die fehlenden Spantenteile ihren Platz, gefolgt von weiteren Längsversteifungen, wie „Kimmweger und Kielschwein“. Dabei waren auch bereits die Mastspuren von Fock- und Grossmast zu berücksichtigen.

Ich brachte die Balkweger für die kommenden Decks an und die Innenbeplankung wurde bis zu diesen hochgezogen. Auch der Innenausbau begann nun mit der Brot- und der Pulverkammer im Heckbereich, sowie des Kabellagers im Bugbereich.

Die Decksbalken für das Overloopdeck wurden verlegt, und die aufgerollten Ankerkabel jetzt bereits in ihrer Last verstaut, an der Beting festgemacht, und dann mit ihrem freien Ende durch die entsprechende Klüse nach außen geführt. Anschließend erfolgte die Beplankung des Decks.
Ab jetzt war der untere Laderaum nur noch durch die Ladeluke erreichbar. Der Weg zur Brot- und Pulverkammer erfolgte über den Niedergang vom Konstaplerdeck, im hinteren Schiffsteil.
Im weiteren Verlauf hatte ich auch die Konstaplerkammer fertiggestellt. Sie zeigte unter anderem die Pinne mit dem Leuwagen, sowie Werbel und Kolderstock.
Das Overloopdeck wurde weiter detailliert, und die Außenbeplankung hochgezogen, bis einschließlich der nächsten Doppelreihe an Berghölzern.

Über den ganzen Bereich spannten sich jetzt die Decksbalken für das Oberdeck. Man erkannte aber noch die Anordnung des Flaschenlagers und der Kombüse, sowie die Aufstellung der Kanonen. Der vordere Decksbereich war noch mit einer Kartonschablone dargestellt.

Vor dem endgültigen Verschließen des Oberdecks gab es einen letzten, noch nicht ganz verbauten, Blick auf das ausgerüstete Overloopdeck. Die Grätings blieben auch hier herausnehmbar und waren jetzt noch nicht in ihre Rahmen eingesetzt. Dann kam unweigerlich die komplette Beplankung des Oberdecks.

Auch die Ausgestaltung der Back nahm auch langsam Formen an. Dabei ergaben sich einige, teils notwendige, Anpassungen gegenüber den Planvorgaben.
Z.B. hatte ich den Knecht für die Fockrahfall innerhalb der Back auf dem Oberdeck, und nicht auf dem Backdeck, angeordnet. Grund dafür war die Tatsache, dass das holende Ende (Kardeel) der Fockrahfall zur großen Winde geführt werden musste. Diese lag ebenfalls in gleicher Höhe auf dem Oberdeck. Es wurde so ein Schrägzug des Kardeels vermieden. Allerdings musste deshalb für deren Führung eine Öffnung im inneren Backschott vorgesehen werden. Die dem Fockmast zugehörige Nagelbank wurde wegen der Erreichbarkeit der Belegpunkte folgerichtig auf dem Backdeck angeordnet. Dieses bekam nun seine komplette Decksbeplankung.

Nach dem Schließen der Back war nun meine ganze Aufmerksamkeit auf die Fertigstellung des Galions gerichtet. Dessen Ausformung war zwar grundsätzlich vorgegeben, jedoch erzwangen die hier tatsächlich entstandenen räumlichen Verhältnisse ihre entsprechend angepassten Lösungen. Das betraf insbesondere das vordere Schott, die Kranbalken, die Nagelbank usw. Als Krönung ruhte über allem natürlich „der Galionslöwe“

Es erfolgte die Einrichtung der Innenräume für die Schiffssteuerung, das heißt Kolderstock mit Rudergänger und anschließender großer Kajüte mit Fensterbank, Tisch, Schrank, und einem „wertvollen“ Teppich. Auch der Zugang zu den Außengalerien wurde vorbereitet.
Über dem Ganzen wurden die Decksbalken der „Steuerplicht“ angeordnet, einschließlich des Rahmens der Sichtöffnung für den Rudergänger. Eine Treppenverbindung zwischen der Steuerplicht und dem darunterliegenden Raum wurde ebenfalls eingefügt.

Vor der abschließenden Beplankung der Steuerplicht war es noch notwendig die Seitenspanten entsprechend zu verlängern.
Die angefügte Schablone zeigt den oberen Abschluss der Decks und die entsprechenden Geländerhöhen.
Darauffolgend ist das Kajütdeck und das Verdeck der Steuerplicht entstanden. Gut zu erkennen war die Zugangsleiter vom Oberdeck zum Kajütdeck, die Mastfischung für den Großmast, und die Sichtöffnung für den Rudergänger. Im Hintergrund ist bereits die Hütte zu erkennen.

Vorschlag Seitengalerie

Der Schwerpunkt der folgenden Arbeiten wanderte nun zum Heckspiegel. Meine besondere Aufmerksamkeit bezog sich dort auf die Gestaltung der Seitengalerie. Die Pläne zeigen hier nur ein Ziergerüst, was mich nicht zufrieden stellte. Schließlich wäre hier die Gelegenheit für Schiffer und Oberkaufmann gegeben ihre Nachttöpfe diskret zu entleeren, ohne sie der Mannschaft erst zu präsentieren.

Meinen Lösungsvorschlag leitete ich aus dem Übergang von den umlaufenden Balkonen früherer Jahre zu den geschlossenen Seitentaschen dieser Zeit ab. Ich gebe zu, Historiker müssen sich bei ihren Entscheidungen um sichere Quellen bemühen, aber wenn diese fehlen, darf man als Modellbauer sicher auch einmal eine begründete Annahme treffen.
Ansonsten hieß es: schnitzen- schnitzen- schnitzen- schnitzen……….!

Und hier das Ergebnis:

Als wichtiger Ausrüstungsteil, stellvertretend für mehrere Boote, habe ich zumindest ein Beiboot auf der Gräting der großen Luke auf dem Oberdeck aufgestellt. Festgezurrt mit Ruderblättern und Pinne ist es so angeordnet, dass die Gräting aus ihrer Fassung herausnehmbar bleibt, um den inneren Bereich erreichen zu können.
Weitere Arbeiten zur Vervollständigung des Rumpfes waren das Anbringen der Rüsteisen, Stückpfortendeckel und fehlender Belegnägel.

Als Voraussetzung für die Besegelung mussten die Masten, Stengen und Rahen angefertigt werden. Da ich keine Drehmaschine besaß, hatte ich diese folglich aus einer Holzplatte herausgeschnitten. Das heißt, im Querschnitt erst viereckig, dann achteckig und schließlich rund. Die zugehörigen Blöcke, und das galt für alle Bereiche, hatte ich weitgehendst selbst hergestellt.

Zur Herstellung der Segel kam nun eine Maschine zum Einsatz die mir ansonsten fremd ist, die Nähmaschine!
Mein Herstellungskonzept war, die Segel auf Normalpapier aufzuzeichnen, dieses auf ein dünnes Seidenpaper zu kopieren, und es dann auf den Segelstoff zu heften. Genäht wurde anschließend mit der Maschine durch Stoff und Papier hindurch, wobei die Markierungen den Verlauf der simulierten Stoffbahnen vorgaben. Das Papier musste darauffolgend zwischen den Bahnen vorsichtig wieder entfernt werden. Abschließend erhielten alle Segel eine Einfassung durch ein, angenähtes und mit Stoffkleber gesichertes, Liektau.
Als Segelstoff hatte ich zwei Arten verwendet. Und zwar für die offenen Segel feines Leinen, und die gerefften Segel Seidenstoff, um so weit wie möglich unnatürliche Falten beim Reffen zu vermeiden.
Die offenen Segel hatte ich in einer dünnen Wasser-Ponal-Lösung gebadet, und sie dann so aufgehängt, dass eine leicht bauchige stabile Form entstand. Dies galt auch für die Flaggen.

Und so sieht die Besegelung im Gesamtzusammenhang aus:
Als Vorbereitung auf die Besegelung war nun als erstes das gesamte Szenario festzulegen. Ich dachte an die Annäherung an eine Reede in Indonesien (Batavia). Die bestehende Windrichtung, das heißt Luv oder Lee, sowie Windstärke, waren zu bestimmen. Das war mit dem Männchen auf dem „seat of ease“ eigentlich schon geschehen, denn ein Mann (höheren Standes) würde sich wohl kaum auf der Wetterseite ins Freie setzen. Ich habe mich entschlossen die Untersegel zu reffen und einen Backbordanker in Bereitschaft per Penterbalken darzustellen. Das Beiboot ist noch festgezurrt; würde aber dann auf Reede mit den Ladetakeln ausgesetzt werden.

Wie für alle anderen Details waren die Vorgaben von Ab Hoving und Cor Emke für die Takelarbeiten hervorragend. Natürlich war das Umsetzen der differenzierten Taustärken bei dieser Modellgröße nur symbolisch möglich. Dies galt natürlich auch für viele andere Details des Modells.
Blieben noch die seitlich angebrachten Marsen. Ich hatte diese, trotz entstandener Diskussionen, in ihren gewählten Positionen belassen. Als Begründung hierfür nahm ich an, dass es sich hier um Halbfertigteil, also Waren, für z.B. die Werften in Batavia handelt.

Zum Abschluss erleuchtete die Schiffslaterne noch einmal feierlich die ganze Szenerie, um dann das Modell an seinem Aufstellungsort in einer Vitrine zu zeigen.

Aufstellungsort.
Hierzu konnte ich mich mit meiner Frau nicht einigen. Sie wollte unbedingt zur feierlichen Taufe eine Flasche Sekt gegen das Modell werfen. Aber dazu konnte ich mich nicht durchringen. So mussten die Feierlichkeiten etwas kleiner ausfallen, und meine HEEMSKERK 1638 bekam ihren finalen Aufstellungsplatz neben ihren Vorgängerinnen PRINS WILLEM 1651 und VALKENISSE 1717:

Alle unter niederländischer Flagge:

Gesamtansichten:

Literaturverzeichnis:
Ab Hoving, Cor Emke „The ships of Abel Tasman”
Herman Ketting „Prins Willem, Een zeventiendeeeuwse Oostindievaarder”
H.N. Kamer „Het VOC-retourschip“
Ab Hoving „Modellen vertellen“
Rob Napier „Valkenisse Retourschip of 1717“
Wilhelm Vos “Batavia Cahier 1-6”
Lanasta Verl. “Scheepshistorie 1-29”
John Harland “Seamanship”
Maike Priesterjahn, Claudia Schuster “Schwimmender Barock”
Heinrich Winter “Der Holländische Zweidecker“
Rolf Hoeckel „Modellbau von Schiffen des 16. Und 17.Jahrhunderts“
Mondfeld „Historische Schiffsmodelle“

Internet:
www.vocsite.nl
www.cultureelerfgoed.nl/pinas


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