Das Buch mit 40 Abbildungen, 5 Pläne
Der holländische Zweidecker von 1665 nach Winter
Heinz Suchardt
Ein Rekonstruktionsversuch und Nachbau des historischen Modellschiffes Holländischer Zweidecker von 1660/70 nach dem WINTER-Buch, auch Berliner Modell oder Hohenzollernschiff oder HZ genannt.
In 11jähriger Forschungs- und Bauarbeit wurde vom Autor das Modell „HZ“ rekonstruiert und originalgetreu in Spantenbauweise im Maßstab 1:75 nachgebaut als getakeltes Vollmodell mit gesetzten handgenähten Segeln:
- mit herausnehmbaren Schiffsteilen, um Einsichten in das Schiffsinnere bis hin zum Kielschwein zu gewinnen,
- mit der Funktionstüchtigkeit aller Einzelteile und Einrichtungen,
- mit der Zerlegbarkeit der Masten, Stengen, Rahen, Takelage,
- mit voller Handhabungsfähigkeit des laufenden Gutes,
- mit komplettem Innenausbau,
- mit elektrifizierter Beleuchtung des Hecks und des Schiffinneren,
- mit gefechtsbereiten 76 Geschützen,
- mit teilweiser Besatzung
angefertigt.
Die Geschichte des Schiffes.
Die überwiegende Mehrheit der Historiker ist sich darüber einig, dass wahrscheinlich der 15jährige Prinz WILHELM VON ORANIEN (Neffe des Kurfürsten von Brandenburg und späterer König WILHELM III von England) 1665 bei seinem Besuch der niederländischen Flotte in Texel das Werftmodell als Geschenk der Amsterdamer Admiralität erhielt
(t HOOFT, Chr. VOIGT, WINTER Museumsakten Berlin).
Allerdings gibt es dafür- wie auch für andere Auffassungen keine schlüssigen Dokumentationen.
Auch der Weg des „HZ“ – Modells von den Niederlanden (über England?) nach Berlin ist nicht sicher dokumentiert.
Sicher ist nur, dass das Schiffsmodell erst viele Jahre nach dem Tod des Königs Wilhelm III von England, nämlich nach dem Utrechter Frieden von 1713 als Bestandteil der „Oranischen Erbschaft“ (FRIEDRICH I) als unveräußerliches Erbstück zu den Hohenzollern kam.
Von König Friedrich Wilhelm III wurde es 1800 an die Berliner Kunstkammer gegeben und stand von da an im Berliner Lustschloss Monbijou an der Spree.
Nur zu zwei Amsterdamer Ausstellungen ( 1909, 1913 ) verließ das Schiffsmodell die Stadt Berlin.
Im Frühsommer 1942 wurde - zum Schutz vor möglichen Bombenangriffen –das Schiff in die Silberkammern im älteren Teil des Berliner Stadtschlosses verbracht. Nur unter großen Schwierigkeiten konnte das Schiff über eine enge Kellertreppe in das zwei Stockwerke unter der Erde liegende Gewölbe( Keller unter Keller ) bugsiert werden ( SEISS nach WINTER-Unterlagen).
Nach der Bombardierung am 3.Februar 1945 brannte das Berliner Stadtschloss tagelang. Schutt und Asche verschlossen den von WINTER als sehr eng geschilderten Treppenzugang zum Silberkeller. Wahrscheinlich haben deshalb keine Plünderer oder Schatzsucher Zugang gefunden.
Am 7. September 1950 wurde die Ruine des Berliner Stadtschlosses gesprengt und der Platz eingeebnet (es befand sich im Berlin-Ost-Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik DDR).Später entstand auf dem Gelände der "Palast der Republik“.
Ob das kostbare Schiffsmodell schon 1942 beim Bombenangriff zerstört wurde, oder sich danach noch in der Schlossruine befand, war lange spekulativ strittig.
Herr W. von BODDIN vom Förderverein Berliner Stadtschloss (Verein für den Wiederaufbau des Stadtschlosses) schrieb 1994 in einem Brief an SEISS, dass vor der Sprengung die Kellergewölbe (alle?) gründlich durchsucht worden sind.
Man fand dabei nur viele Zentner sehr stark durch Hitzeeinwirkung deformiertes und geschmolzenes Silber.
Nach dieser Information wäre auch das Schiffsmodell verbrannt und damit verloren gegangen.
So bleibt bis heute auch das Ende des nun 399 Jahre langen Weges unseres „Holländischen Zweideckers“ = „ HZ „ = „Hohenzollernschiff“ = „Berliner Modell" geheimnisvoll ungeklärt.
Forschung.
Erste Studien am „HZ“ hat offensichtlich t HOOFT 1913 betrieben. Als Vorsitzender der Amsterdam Schifffahrtsausstellung und Leiter des Amsterdamer Fodor-Museums hatte er das „HZ“-Modell zur Ausstellung nach Amsterdam ausgeliehen.
Herr t HOOFT war ein Kenner des Seewesens und ein Sammler von Schiffsmodellen. Er wies dem „HZ“ einen niederländischen, und zwar Amsterdamer Ursprung nach und datierte seine Entstehung auf das Jahr 1665.
Seine Annahme, dass es sich bei dem „HZ“ um ein Werftmodell der „HOLLANDIA“ handeln könnte, ließ sich nach dem Wiederauffinden des tatsächlichen „HOLLANDIA“- Werftmodells (Lit. CRONE) nicht mehr aufrechthalten.
Die gründlichste Untersuchung und Dokumentation ist WINTER zuzuschreiben.
Im Schloß Monbijou zu Berlin wurde von ihm 1937- 1942 das Schiffsmodell „HZ“ innen und außen vermessen, fotografiert, dokumentiert und gezeichnet. Die Ergebnisse sind 1967 in seinem Buch über den „HZ“ veröffentlicht worden.
Ursprünglich hatte WINTER das Modell nur wegen des "Kolderstockes"= Rudermechanismus besichtigen wollen; er war dann so fasziniert, dass von ihm eine komplette Erforschung des Schiffsmodells angesetzt wurde.
WINTER konnte seine Arbeiten leider nicht abschließen, weil das Schiffsmodell zum Schutz gegen Luftangriffe in das Berliner Schloß verbracht wurde.
Von van WOERDEN wurde 1971 eine Hypothese über den Ursprung und die mögliche Identifikation des „HZ“ veröffentlicht. Auf der Grundlage von WINTERs Buch wird darin der Versuch unternommen WINTER bei seinen „HZ“ Arbeiten Denk- und Messfehler nachzuweisen.
Diese Argumentation steht auf sehr schwachen Füßen.
Auch der Versuch einer Identifizierung erweist sich als sehr fragwürdig.
Wertvoll sind dagegen seine historischen Recherchen über die Vielfalt der niederländischen Maßeinheiten im 17.Jahrhundert und die Besonderheiten der Heraldik im Schiffbau dieser Zeit.
Auch viele Details von historischen Zusammenhängen sind interessant.
Als unermüdlichster Forscher nach Fakten, Dokumentationen und Hinweisen über den „HZ“ ist Herr SEISS 1954- heute zu nennen. Mit dem ihm als Konstrukteur vorgegebenem hohen technischen Sachverstand hat er die Ergebnisse bewertet und zum Teil in Zeichnungen umgesetzt.
Ihm ist es zu verdanken, dass dieses wunderschöne Schiffsmodell nicht in Vergessenheit geraten ist; nicht zuletzt durch seine hartnäckigen Bemühungen die Forschungsergebnisse von WINTER als Buch zum Druck zu bringen.
Herr SEISS hat sein umfangreiches Wissen um den „HZ“ als Gründungsmitglied des „ ARBEITSKREISES HISTORISCHER SCHIFFBAU“ auch an interessierte Mitglieder selbstlos weitergegeben. Ohne seine Mitteilungen wäre diese Datensammlung über den „HZ“ als Begleittext zu meinen Bemühungen um Rekonstruktion und Nachbau
des verloren gegangenen Schiffes nicht zu vervollständigen gewesen. Dafür sage ich noch einmal herzlichen Dank.
Leider habe ich Herrn SEISS erst 1994 kennen gelernt nachdem ich mit mühsamen eigenen Forschungen die Rekonstruktion und den Nachbau des „HZ“ schon vollendet hatte; aber meine Arbeiten sind durch seine Aussagen bestätigt worden.
Aus dem Schriftverkehr mit ihm ist er mir als liebenswürdiger, schöngeistiger Mensch in Erinnerung geblieben, bei dem man spürte, dass seine Liebe zum Historischen Schiffbau groß ist.
Identifizierung.
Nach übereinstimmender Beurteilung durch Historiker handelte es sich zweifelsfrei um ein Werftmodell niederländischer Herkunft.
Erstellt wurde es wahrscheinlich Mai 1664 im Auftrag der Amsterdamer Admiralität.
Es verkörperte die niederländische Schiffsbaugeschichte des 17.Jahrhunderts. Bei diesem Modell war die damalige Technik bei genauester Innehaltung aller Verhältnisse und damit auch der Harmonie aller Linien absolut zuverlässig dargestellt.
Als gleichwertiges niederländisches Werftmodell um 1650 existiert nur noch die 1913 wieder aufgefundene und teilweise restaurierte "HOLLANDIA".
(t HOOFT 1908, CRONE 1913, KÜSTER 1920, Chr. VOIGT 1922,WINTER 1937, van WOERDEN 1971 )
Die Außergewöhnlichkeit des Modells wird auch durch die Tatsache unterstrichen, dass es von den Niederländern zweimal zu Ausstellungen aus Berlin ausgeliehen worden ist. Die Niederländer wollten es auch gerne ankaufen, obwohl sie in Sammlungen und Museen viele Schiffsmodelle besitzen.
Auf der 300. Jahresfeier der Gründung von Neu-Amsterdam (New York) durch HUDSON wurde der "HZ" in Amsterdam ausgestellt.
Die "ENTOS" = erste Niederländische Marine Ausstellung in Amsterdam zeigte als "Glanzstück" unter vielen Schiffmodellen den "HZ". Das Modell wurde bei dieser Ausleihung mit der für die damalige Zeit bemerkenswerten Summe von 100.000 Goldmark versichert.
(Museumsakten Berlin 1910, CRONE 1913, WINTER 1937,Zeitschrift "SCHIFFBAU" 1909, 1913, 1925)
Bilder vom Ergebnis.
Die Nutzung der S/W-Fotos aus dem Buch von WINTER „ DER HOLLÄNDISCHE ZWEIDECKER VON 1660/70 “ ISBN 3-7688-0094-6 von 1967 ist mir freundlicherweise für die Gegenüberstellung mit den Bildern vom Nachbau vom Verlag Hinstorff-Rostock erlaubt worden.
Die folgenden Bilder sollen in der Gegenüberstellung
der alten Schwarz / Weiß – Fotos (von WINTER 1937) vom Original Modell „ Holländischer Zweidecker“ ( HZ )
mit Farbfotos aus dem Jahr 2001 von seiner Rekonstruktion
den Betrachter einstimmen auf die Einmaligkeit dieses Schiffsmodells.
Trotz aller damaligen und heutigen fotografischen Unzulänglichkeiten, die sich in schlechter Ausleuchtung und verzerrenden Perspektiven widerspiegeln, ist ein
Studium an den Details des Schiffes möglich.