Aktualisiert 16.10.2009

Acht Modelle wenig bekannter Küstensegler in Nord und Süd

Harald Göhren

Bermuda-Sloop

Ich habe den Schwerpunkt meines langjährig betriebenen Schiffsmodellbaus zunehmend auf kleine Küstensegler – Frachtschifffahrt und Fischerei – gelegt und bezeichne die in Maßstäben zwischen 1:20 und 1:40 gebauten Modelle, von denen ich hier einige dargestellt habe, als „Typenmodelle“.

  Damit meine ich Schiffe, die regional oder in Konstruktion und Takelung einer bestimmten Typenkategorie zugeordnet sind, ohne individuelle Namen, Werftzuordnung oder Schiffsgeschichte. Risse und Beschreibungen stammen überwiegend aus der Literatur; vorhandene Pläne sind zumeist Rekonstruktionen, deren Grundlage vielfach nicht angegeben ist.

Bermuda-Sloop

Im Gegensatz dazu ständen nach dieser Kategorisierung „Modellrepliken“, das heißt Nachbauten von Schiffen mit Eigennamen, zumeist auch dokumentierter Schiffsgeschichte und gebaut anhand vollständig verfügbarer Originalpläne. Letztere kann man als „vorbildtreu“, die Typenmodelle als „vorbildähnlich“ bezeichnen.

Es versteht sich, dass es dazu viele Zwischenformen gibt: als Beispiel nenne ich die Santa Maria, das gern als Modell gebaute Kolumbusschiff für das es keine Pläne gibt, nur einige zeitgenössische Skizzen, mehrere Rekonstruktionsentwürfe und inzwischen eine seetüchtige „Replik“ im Maßstab 1:1.

Bermuda-Sloop

Modelle der viel gebauten Santa Maria, die häufig als Karavelle bezeichnet wird, sind nicht einmal sicher als
Typenmodell einzuordnen, weil dieses berühmte Schiff in der Fachliteratur unterschiedlich bezeichnet wird:
Man findet: Nao, Karacke, Krawel oder auch
  caravela redonda.

Für die gezeigten Modelle habe ich einfache Bauverfahren entwickelt: Herstellung eines Form gebenden Spantenmodells aus Sperrholz, einer Unterbeplankung aus Flugmodellsperrholz (1 mm) und der Sichtbeplankung aus Schälfurnier (Eiche, Nussbaum, Mahagoni).

Verleimte Unter- und Oberbeplankung geben dem Rumpf eine stabile Schale, so dass die Formspanten nach Bedarf wieder herausgebrochen und die Innenseiten, zum Beispiel bei offenen oder halboffenen Modellen, gleichfalls furniert werden können.

Bermuda-Sloop

Ich verzichte auf farbige Lackierung, Flaggen und manches Detail in der Decksausrüstung, bei der ich auch stilisierende Vereinfachungen in Kauf nehme.

Informative Literatur sowie Fundstellen der Pläne/Risse zu den einzelnen Typen sind angegeben:

[ 1 ] Chapelle, H.I.: The History of the American Sailing Navy
[ 2 ] Göhren, H.: Hudson River Sloop. Logbuch H.1/2001
[ 3 ] Menzel, H.: Der Schokker. Logbuch H.1/1988
[ 4 ] Menzel, H.: Smakken Kuffen Galioten
[ 5 ] Menzel, H.: Die Tjalk
[ 6 ] Mondfeld, W.: Die arabische Dau
[ 7 ] Mordhorst, J.: Die Eiderschnigge. Logbuch, H.3/1998
[ 8 ] Paris, E.: Souvenirs de Marine
[ 9 ] Wiebeck, E. und Winkler, H.: Segler im Monsum

Die Bermuda-Sloop ist ein einmastiger Segler mit Slup-Takelung aus der amerikanischen Kolonialzeit, dessen Vorläufer, die Jamaika-Sloop, als schneller Segler für Schmuggel und Piraterie auf den Westindischen Inseln gebaut wurde. Wegen Holzmangel (Rotzeder) wechselten die Schiffbauer zu den Bermudas über, die den wegen vorzüglicher Segeleigenschaften weithin bekannten Schiffen ihren Namen gaben. Ihre Blütezeit lag zwischen 1690 und 1750, sie segelten aber noch bis ins 19. Jahrhundert. Auffallend ist die starke Mastneigung und das lange Bugspriet mit Klüver- und Jagersegel. Es wird vermutet, dass die Rumpfform mit scharfen Linien bei dem späteren Baltimorschoner übernommen wurde.
Das Modell wurde in Anlehnung an einen amerikanischen Bauplan in der oben beschriebenen Bauweise in Mahagoni gebaut. Die nicht genauer bekannten Schiffslängen der Bermuda Sloops dürften bei 18 bis 20 Meter liegen.

Hudson River Sloop

Der Typ der Hudson River Sloop geht auf holländische Einwanderer in der Kolonialzeit zurück (Gründer von Neu Amsterdam, dem späteren New York). Die einmastigen Sloops entwickelten sich im 18. und 19. Jahrhundert zu tauglichen hoch getakelten Seglern für die Fracht- und Passagierfahrt auf dem Hudson zwischen New York und dem etwa 140 Meilen stromauf liegenden Albany. Die Schiffslängen lagen bei 20 bis 25 Metern.

Hudson River Sloop

1816 wurden über 300 Sloops auf diesem Revier gezählt, die dann aber innerhalb weniger Jahrzehnte durch Schoner verdrängt wurden. Bemerkenswert am Rigg ist der große Klüver mit Baum (auch Fuß- oder Schotrah) und Fangleinen (lazy jacks), welche das Segel beim Fieren auffingen. Viele im 19. Jahrhundert gebaute Sloops erhielten ein Kielschwert (center board), womit sie wesentlich besser in der Flussfahrt kreuzen konnten. Das Modell wurde in der angegebenen Bauweise in Mahagoni gebaut.

Hudson River Sloop

Hudson River Sloop

Eiderschnigge

Die Eiderschnigge war ein Frachtsegler, der an der Eider gebaut wurde und vorwiegend auf Eider und Elbe, aber auch bis England und Russland segelte. 1864 gab es noch 120 dieser völlig gebauten Flachwassersegler mit Seitenschwertern, ein- oder anderthalbmastig getakelt und 14 bis 16 Meter lang.

Eiderschnigge

Die Bezeichnung „Schnigge“ führten über die Jahrhunderte verschiedene Schiffstypen in Nordeuropa, nicht nur Segler, sondern auch Ruderboote. Sie dürfte an der Eider auf altüberlieferte Benennungen im regionalen Schiffbau zurückzuführen sein. Das Modell ist nach einem von Jürgen Mordhorst im Logbuch Heft 3/1998 veröffentlichen Originalplan aus dem Altonaer Museum in Eiche gebaut.

Eiderschnigge

Eiderschnigge

Holländische Smak

Die Smak, ein typisch holländischer Küsten- und Wattsegler mit plattem Boden, Seitenschwertern und stumpf gerundetem Bug gehört zur Familie der Tjalken.
Sie war an der gesamten südlichen Nordseeküste verbreitet, ein seetüchtiges vielseitig eingesetztes Frachtschiff, wenngleich es wegen seiner eher plumpen Rumpfkonstruktion nicht als besonders wendig galt. Die älteren Smakken führten noch ein Sprietsegel, später setzte sich das Gaffelsegel durch.

Holländische Smak

Der Besanmast am Heck, auch als Druilmast bezeichnet, stand auf einem Querbalken über dem Helmholz, das vom Ruderschaft aus durch eine dreieckige Öffnung, dem so genannten „Hennegat“, geführt war. Das Modell einer Smak von rd. 24 Meter Länge ist in Eiche nach einem Plan von Chapman in Architektura Navalis gebaut.

Holländische Smak

Holländische Smak

Holländische Tjalk

Die Tjalk war das verbreitetste holländische Fluss- Watt- und Küstenschiff, ein Einmaster mit plattem Boden, Seitenschwertern, Rundgatt und stumpf gerundetem Bug. Getakelt war es in der Regel mit Gaffelsegel (früher auch Sprietsegel) Stagfock und fliegendem Klüver. Es gab viele der Tjalk ähnliche Kleinschiffe mit regional unterschiedlichen Typenbezeichnungen, die in der Monographie von H. Menzel zusammengestellt sind.

Holländische Tjalk

Das dargestellte Modell, eine Tjalk von rd. 20 Meter Länge, ist nach Angaben und Rissen in [5] in Eiche gebaut. Erwähnenswert ist, dass viele dieser holländischen Kleinsegler im Achterschiff ein recht komfortables Logis hatten, welches der Familie des Eigners als dauerndes Domizil dienen konnte.

Holländische Tjalk

Holländische Tjalk

Holländischer Schokker

Der Schokker war ein halboffenes Fischerboot der Zuider See, das aber auch weitere Verbreitung erfuhr und als seetüchtiger Segler galt. Es hatte einen Plattboden, Kantspanten und führte Seitenschwerter. Die breite Oberplanke über dem Bargholz war stark eingezogen. Gebaut wurde es in Schiffslängen zwischen 10 und 16 Meter.

Holländischer Schokker

Ein weiteres auffälliges Typenmerkmal ist der grade, den Rumpf deutlich überragend Vorsteven. Dieser besaß am oberen Ende zwischen Stevenholz und einer Klampe eine Seilscheibe, über die das Ankertau lief. Getakelt war es mit Gaffelsegel, Stagfock und fliegendem Klüver an einem Ausholring. Das Modell ist nach einem von H. Menzel in [4] abgebildeten Plan in Eiche gebaut.

Holländischer Schokker

Holländischer Schokker

Chasse-Maree

Die Chasse-Maree, übersetzt „Gezeitenjäger“, war ein scharf gebauter Segler der französischen Atlantikküste für Frachttransport und Fischerei. Er fuhr auch weit in den Atlantik hinaus bis zu den Antillen. Die Chasse-Maree wurde zwei- und dreimastig gebaut und führte Luggersegel mit längsschiff gesetzten Rahtopsegeln.

Chasse-Maree

Der weit achtern stehende Besanmast war im hier verwendeten Plan aus den Souvenirs de Marine nicht in der Schiffsachse, sondern seitlich gesetzt, um das Helmholz, das durch eine im Heckspiegel angeordnete Öffnung geführt war, frei bewegen zu können. Die Schiffslänge des zugrunde liegenden Plans betrug 17 Meter. Das Modell ist in Nußbaum gebaut.

Chasse-Maree

Chasse-Maree

Ghanja

Zwei- oder dreimastige, noch bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts segelnde Dau. Sie führt an geneigten Masten trapezförmige Segel, auch als Dausegel bezeichnet. Die Ghanja war ein schlanker, schneller Segler. Sie wurde für den Frachttransport, bevorzugt aber auch bewaffnet für die Piraterie eingesetzt.

Ghanja

Sie segelte im Indischen Ozean, vor Ostafrika und Arabien, und vor der nordafrikanischen Küste im Mittelmeer. Das Modell ist nach einer Rekonstruktion von W. Mondfeld [6] unter der Bezeichnung „Piratenghanja“ in Mahagoni gebaut. Mit dem angegebenen Maßstab war sie etwa 30 Meter lang.

Ghanja

Ghanja

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