Aktualisiert 10.02.2021

Windstärke 10 - das Wrack- und Fischereimuseum Cuxhaven

Text und Fotos: Mathias Anton

Köster-Diorama von Cuxhaven im Maßstab 1:400

„Windstärke 10“ ist ein Begriff, der normalerweise wenig Gutes verspricht. Aber es gibt Ausnahmen.

Im Dezember 2013 wurde das neue Wrack- und Fischereimuseum in Cuxhaven unter diesem Namen eröffnet. Die ehemaligen Fischpackhallen VII und VIII und die dazwischenliegende Ohlroggestraße, die nun eine verbindende Halle überdacht, bilden die architektonische Basis. Der Inhalt besteht aus mehreren Sammlungen; und dabei wurden nicht nur das ehemalige Wrackmuseum und das Fischereimuseum fusioniert, wie man aus der Bezeichnung schließen könnte.

Die überdachte Ohlroggestraße mit Exponaten aus der Fischerei

Die mit Glas überdachte Ohlroggestraße beheimatet die Überreste des gestrandeten Fischewers Wilhelmine und allerlei Modelle von Fischereischiffen sowie allgemeine Informationen zur Fischerei, einschließlich einer Filmvorführung. Mein Lieblingsobjekt dieses Ausstellungsteils ist ein großes Köster-Modell von Cuxhaven, im Maßstab 1:400. Obwohl – ganz original von Edmund Köster ist es nicht, der Erbauer fiel bedauerlicherweise im 2. Weltkrieg, Schiffe der Nachkriegszeit, die auf dem Diorama vorkommen, wurden versuchsweise in seinem Stil nachgebaut.

Modell eines Schleppers aus der Sonderausstellung

Der Raum ganz links außen in Halle VIII, hinter dem Wrack des Fischewers, wird entweder als Vortragsraum genutzt oder beherbergt eine Sonderausstellung. Im Herbst 2020 war dies eine Ausstellung über Schlepper und deren Einsatz; mit Modellen, Gemälden und Exponaten aus dem „richtigen Leben“ wie z.B. einer überaus benutzt aussehenden armdicken Schleppleine.

Speiserolle der deutschen Seeschiffahrt und Fischerei von 1951

Im anschließenden Raum (außen als „Logis“ bezeichnet) wird in die Fischerei eingeführt: dem Besucher wird anhand von Beispielen vorgeführt, wie junge Männer zur Fischerei gekommen sind und was sie dort erlebt haben. Ein interessantes Detail ist die „Speiserolle“, auf der sozusagen der Einkaufszettel für den Smutje festgehalten war: wie viel Gramm Fleisch, Mehl usw. pro Mann und Tag vorzusehen waren. Durch O-Töne von Zeitzeugen, die man sich anhören kann (aber nicht muss) werden die Exponate mit Leben gefüllt. Einem ziemlich harten und anstrengenden Leben, wie es scheint.

An Bord eines Fischdampfers

Im benachbarten Raum 1 wird die Situation „auf Fangfahrt“ veranschaulicht: mit schrägliegendem Deckausschnitt und Rundum-Kino von tosenden Seen. Man kann auch hören, was in der „Funkbude“ mitgeteilt wurde, der Wind heult, und mit etwas Phantasie bekommt man eine (ganz blasse) Ahnung davon, wie es zugegangen sein könnte, auf dem Deck des Fischdampfers. Wenn auch ohne Kälte und Nässe und andere Unannehmlichkeiten.

Fischkisten, Abbildung einer Fischauktionshalle

Was passierte, wenn das Fischereifahrzeug denn nun mit Fang und hoffentlich auch vollständigem Personal in Cuxhaven anlandete, zeigt der angrenzende Raum 2 und auch die dort abrufbaren O-Töne: Kneipenbesuche, mehr oder weniger kurze Stippvisiten bei den Familien für die Seeleute, während für die Fische als wesentliche Option die Auktionshalle vorgesehen war. Eine Sonderausstellung im Jahre 2018 befasste sich speziell mit den Frauen, die in den fünfziger und sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts unter nicht gerade komfortablen Bedingungen in großer Zahl den seinerzeit ebenfalls noch in großer Zahl vorhandenen Fisch verarbeiteten.

Aufgefundene Rettungsringe verschiedener Schiffe

Die Tatsache, dass es sich bei der Fischerei um einen der gefährlichsten Berufe der Welt handelt, leitet zu den Themen Seenot, Seenotrettung, Feuerschiffe usw. über, welches in Raum 3 behandelt wird, ebenfalls mit Bildern, Gegenständen aus dem „richtigen Leben“ wie z.B. einer Tür eines gesunkenen Schiffes und Hörbeispielen, u.a. Rundfunk-Nachrichten aus dem Jahr, als das Feuerschiff ELBE 1 in einem Sturm sank. Das Lotsenwesen gehört ebenfalls in diesen Kontext; neben dem Modell eines Elblotsenkutters ist auch eine ganze Lotsenstube zu sehen.

Raum 4, „unter Wasser“, mit dem Kommandoturm eines gesunkenen U-Bootes

Gegenüber (Halle VII) wird in Raum 4 veranschaulicht, was passiert, wenn alles Lotsen und alle Lichtsignale von Feuerschiffen nichts geholfen haben: der Raum ist abgedunkelt, um die Lichtsitutation unter Wasser zu simulieren. Exponate aus mehreren gesunkenen Schiffen sowie auch der Kommandoturm eines gesunkenen Englischen Unterseebootes aus dem ersten Weltkrieg können dort bewundert werden. Aus letzterem konnten noch intakte Obst-Konserven geborgen werden. Es geht an‘s Eingemachte...

Exponate des Fördervereins Schifffahrtsgeschichte Cuxhaven e.V.

Neben diesem Kern der Ausstellung, welcher sozusagen Wrack- und Fischereimuseum zusammenfasst, gibt es noch zwei weitere Schatzkammern: eine enthält die Sammlung des Fördervereins Schifffahrtsgeschichte Cuxhaven e.V., welche größtenteils aus Schiffsmodellen von Frachtern, Fischereischiffen und anderen besteht.

Eingang zur Sammlung Peter Weber

Die zweite Schatzkammer, die meinen Lieblingsabschnitt des Museums darstellt, beinhaltet die Sammlung Peter Weber, welche früher in einem eigenen Haus in Duhnen besichtigt werden konnte. Die Sammlung ist so etwas wie eine begehbare Seekiste: ein wildes Durcheinander von Werftmodellen, Buddelschiffen, einem Cuxhaven-Diorama im Maßstab 1:1250 (30er Jahre, mit einem eingebauten „Fehler“ als Suchaufgabe), einem DGzRS Diorama mit einem Ruderrettungsboot, Artefakte aus verschiedenen Schiffen, einem exzellenten Papiermodell der Titanic im Maßstab 1:1250 von Heinz-Peter Weiss und, und, und...

Es gibt wenig zu kritisieren. Die Entstehung des Museums als „Fusion“ mehrerer einzelner Sammlungen ist zwar recht deutlich sichtbar, aber das muss kein Nachteil sein. Im „Unterwasser“-Teil des Wrack-Museums ist die Präsentation in Düsternis zwar eine im Prinzip gute Idee, aber es wäre schöner, wenn man alle Exponate gut erkennen könnte, was in diesem Raum 4 leider nicht der Fall ist. Aber das ist auch schon alles.

Wenn ich wieder in Cuxhaven bin, werde ich das Museum sicher wieder besuchen, allein schon wegen des Köster-Dioramas und der Sammlung Peter Weber. Ich kann einen Besuch des Museums nur empfehlen.

Interessenten können sich vorab auf der Internet-Präsenz des Museums informieren: http://www.windstaerke10.net/.

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