Abb.1 Werkzeug zum Bau der Totora-Balsas.
Boote und Schiffe auf dem Titicaca-See (Peru und Bolivien)
W. Eberhard Falck
Wenn vom Titicaca-See die Rede ist, denkt man natürlich in erster Linie an die Totora-Balsas, die Schilfrohr-Floßboote der Hochland-Indios.
Balsas werden auch heute noch z.B. von dem Volk der Uros hergestellt, allerdings hauptsächlich wegen der Touristen, die dieses Volk auf seinen schwimmenden Inseln besucht.
Die Boote sind hinlänglich bekannt, deshalb soll hier nur die Werkzeuge gezeigt werden, mit denen die Verschnürung dicht geholt und
die Schilfbündel glattgeklopft werden (Abb.1).
Abb.2 Hölzerne Ruder- bzw. Segelboote auf der Sonneninsel (Bolivien).
Westliche Bootsbaumethoden kamen mit den Spaniern ins Land, doch konnten Holzboote die Totora-Boote nie wirklich ganz verdrängen, da auf dem Altiplano gutes Holz Mangelware ist.
Der Mangel an Kapital in dieser Region hat es zum Glück verhindert, dass die Holzboote ihrerseits von Kunststoff verdrängt wurden.
So nutzen die lokalen Fischer auf der Sonneninsel noch immer plankengebaute hölzerne Ruder- bzw. Segelboote (Abb.2).
Abb.3 Details eines Ruder- bzw. Segelbootes.
Abb.4 Masttopp eines Segelbootes
Abb.5 Technik des stehend-schiebend Ruderns.
Aufgezimmert werden die Boote aus maschinengesägten Planken, während die Ausrüstung offenbar von den Eignern selbst hergestellt wird (Abb. 3).
Die Boote verfügen über einen einfachen Mast (Abb. 4) an dem eine Art Gaffelsegel gesetzt wird (Abb. 6).
Das Segel ist heute aus leichter Kunstfaser. Je nach Anforderung wird stehend-schiebend gerudert (Abb. 6), oder bei schwereren Lasten (wie einer Ladung Touristen) mit zwei Mann ziehend (Abb. 7).
Abb.7 Rudertechnik mit zwei Personen auf einer Bank.
Im August diesen Jahres bei der Einfahrt in Puno an Bord des von Cusco kommenden Andenexpresses erblickte ich im Dämmerlicht des hereinbrechenden Abends eine große Überraschung: einen regelrechten Museumshafen.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hielten nämlich auch die Produkte des industriellen Schiffbaus Einzug auf dem Titicaca-See.
Den Anfang machte ein eisernes Segelschiff, die Aurora del Titicaca. Ungefähr zur gleichen Zeit (1862) erschienen auch die ersten beiden Dampfer auf dem See, die Yavari (Abb. 8) und die Yapura (Abb. 9).
Beide Schiffe wurden ursprünglich als Kanonenboote konzipiert und aber dann schon vor ihrer ersten Indienststellung zu Frachtschiffen umgebaut.
1862 gab es in Peru natürlich noch keine Walzwerke, geschweige denn eine Eisenschiffswerft am Titicaca-See.
So wurde der Auftrag für den Bau an die Werke von James Watt in Birmingham vergeben, die den Bau des Rumpfes an die Thames Ironworks and Shipbuilding Co. in Blackwall als Subkontrakt weitergaben.
Der Vertrag schrieb vor „ ... die beiden Dampfer müssen in Einzelteilen, die keinesfalls das Gewicht von je 120 kg überschreiten dürfen bis zum Titicaca-See transportiert werden ...“, denn es gab ja damals noch keine Eisenbahnverbindung von der Küste bis zu dem 4813 m hoch gelegenen See.
Ein Jahr später wurden die 2766 Teile der beiden Dampfer an Bord des Frachters Mayola nach Arica an der Pazifikküste gebracht (als Folge des ‚Salpeterkrieges‘ 1887 zwischen Chile auf der einen und Peru und Bolivien auf der anderen Seite gehört Arica heute zu Chile und hat Bolivien den Zugang zum Meer verloren).
Die erste Etappe dann von 65 km war relativ einfach, da es bereits eine Bahnlinie bis nach Tacna gab.
Die schwierigste Aufgabe aber war die restlichen gut 400 km quer durch die Anden bis hinauf auf das Altiplano zu bewältigen.
Der Transport als Maultierlasten erforderte volle sechs Jahre. Zusammengesetzt wurden die Schiffe auf der Werft in Huaje (Abb. 10) in der Nähe von Puno.
Abb.12 Bolinder 4-Zylinder Dieselmotor von der Wellenseite aus.
Diese Werft und ein zugehöriger schienengeführter Dampfkran existieren noch heute (Abb. 11).
Der Stapellauf der Yavari erfolgte endlich zu Weihnachten 1870 und im April 1871 konnte sie Ihre Jungfernfahrt antreten. Das Schiff war 38,5 m lang, 5,2 m breit und verdrängte 110 t bei einem durchschnittlichen Tiefgang von 3 m.
Die Dampfanlage leistete 60 PS und wurde mit getrocknetem Lama-Mist gefeuert, da es in dieser Gegend praktisch kein Holz und keine Kohle gibt.
Da so gut wie der ganze Frachtraum vom Kamel-Mist eingenommen wurde, musste das Schiff bald um 10 m verlängert werden, um genügend Platz für Fracht zu haben.
Auf die Dauer war aber auch diese Lösung unbefriedigend, so dass schließlich 1914 ein schwedischer Bolinder 4-Zylinder Dieselmotor (Abb. 12 und 13) eingebaut wurde. Der Bolinder ist der älteste und größte seiner Art der noch betriebsbereit ist (Abb. 14).
Abb.13 Bolinder 4-Zylinder Dieselmotor vom Bug aus.
1987 wurde das Schiff durch die dafür gegründete Asociacón Yavari vor der sicheren Verschrottung und langsam – auch mit Hilfe der peruanischen Marine – restauriert, bis es schließlich am 9. Dezember 1999 seine zweite Jungfernfahrt antreten konnte. Ein weiterer Ausbau zu einem Kreuzfahrtschiff mit dem Flair des 19. Jahrhunderts aber entsprechend den Sicherheitsstandards des 21. Jahrhunderts ist geplant.
Viele interessante Details des Eisenschiffbau vom Anfang der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert haben sich erhalten oder wurden originalgetreu restauriert (Abb. 15 und 16), so auch z.B. die Ruderlageanzeige am Hilfsteuerstand im Heck (Abb. 17).
Die Yapura (Abb. 9) wurde inzwischen zum Hospitalschiff umgerüstet und liegt in Puno, während die Coya (Abb. 18-21), die auf demselben Weg wie ihre beiden Vorgänger auf den See gelangte, während einer Dürreperiode 1986 auf Grund stieß und nicht mehr flott gemacht werden konnte.
Die Coya wird inzwischen zu einem Restaurant umgebaut. Auch ein Eimerkettenbagger (Dredge No.1) wurde in Einzelteilen nach dem Titicacasee gebracht.
Abb.14 Originales Werkzeug der Dampfmaschine im Maschinenraum.
Das frühe 20. Jahrhundert sah die Ankunft einer Reihe weiterer (Stahl-)Schiffe, so die SS Inca, den Eimerkettenbagger Dredge Zuniga No. 2 (Abb. 22),
die SS Óllanta (Abb. 23), die MS Manco Capac,
die z.T. in Puno liegen (Abb. 24) sowie weiterer Fahrzeuge auf dem bolivianischen Teil des Sees.
Die Inca ist leider noch 1994 dem Schneidbrenner zum Opfer gefallen.
Einen Überblick über die ehemalige Flotte gibt eine kleine Modellsammlung an Bord der Yavari (Abb. 25).