Aktualisiert 10.02.2017

Schnitzen ist keine Zauberei, Teil 2

Peter Pratsch

8. Thema: Proportionen des menschlichen Kopfes

Mit diesem Thema möchte ich interessierten Modellbauern helfen möglichst professionelle Resultate zu erarbeiten.

Einsteiger werden nicht erwarten am menschlichen Kopf Gesetzmäßigkeiten in der Anordnung von Augen, Nase, Mund und Ohren zu finden.
Er wird überrascht sein wie leicht und glaubwürdig eine Anordnung hergestellt werden kann. In der themenbezogenen Literatur gibt es eine Fülle von Artikeln. Für uns Modellbauer habe ich den Beitrag auf die nötigsten Darstellungen reduziert.

Alle Angaben in den Bildern sind Orientierungswerte und werden je nach Motiv, ob runder, ovaler oder kantiger Kopf leicht variiert (das Recht am Bild liegt mir vor).

Der vollständige Kopf wird in eine senkrechte und waagerechte Hilfslinie aufgeteilt.
Die Linien habe ich nur angedeutet.
Das Bild zeigt eindrucksvoll wie die Augen in Kopfmitte liegen.

Am Kopf ist das Auge das Maß aller Abstände.
Zunächst wird die Augenlinie, die sich (wie schon gezeigt) in der Mitte vom Kopf befindet, in 5 Augenlängenaufgeteilt.
Im Bild sieht man wie der Abstand zwischen den Augen, sowie die Entfernung von den Augen bis zu den Kopfseiten, jeweils eine Augenlänge beträgt, somit erhält man schon die Kopfbreite.
Die Breite der Nase beträgt 1 Augenlänge und die Breite des Mundes entspricht 2 Augenlängen.
Die Mundtrennlinie liegt auf der Hälfte der Linie zwischen Augen und Kinn.
Die Nase ist etwa 1,5 Augen lang.

Dieses Bild zeigt deutlich dass die Kopfhöhe 8 Augenlängen beträgt, von der Augenlinie aus, 4 Augenlängen nach unten und 4 Augenlängen nach oben.
Bei einem erwachsenen Menschen hat das Auge ungefähr eine Länge von 30 mm und damit haben wir Modellbauer schon eine Möglichkeit die Gösse eines Kopfes für den Baumaßstab zu bestimmen.
Diese Methode kann man sowohl für weibliche als auch für männliche Köpfe anwenden.

Zum Abschluss muss noch die Seitenansicht betrachtet werden.
Das Ohr liegt zwischen Oberkante Auge und Unterkante Nase.
Die Kopftiefe beträgt ungefähr =,9 der Kopfhöhe. Das Auge liegt gegenüber der Nasenspitze 0.16 Kopfhöhe zurück oder 0,1 Kopfhöhe von der Stirn.
Das Ohr liegt etwa 0,52 von der Stirn zurück.
In der Praxis muss man sich auf sein Augenmaß verlassen; denn man hier kaum mit dem Messschieber arbeiten können, besonders bei kleinen Maßstäben.

2 Tipps aus der Praxis:

1. Es ist immer zweckmäßig mit den Augen zu beginnen, die Trennlinie zwischen den Augenlidern einzustechen, danach die Begrenzungslinie und schließlich vom Nasenrücken ausgehend mit dem Messer eine geschwungene Linie zum Gesichtsrand zu schneiden.
Zuerst ganz wenig Material abheben, sieht man das die Formen stimmen, kann das Auge vertieft werden.

2. Beim Mund besteht die Gefahr, dass er zu flach geschnitzt wird, das Ganze sieht dann aus wie ein Froschmaul. Es muss darauf geachtet werden genügend Material unter der Nase zu lassen und dann mit dem Messer von der Lippenober- und unterkante bogenförmig das Material abträgt.

Für die ersten Übungen wird ein Relief von Vorteil sein, sobald das zufrieden ausfällt, kann ein vollplastischer Kopf als Vorlage dienen.
Wer sich an die o. g. Gesetzmäßigkeiten hält, wird immer eine optische Akzeptanz der Schnitzerei erreichen.

Noch ein Hinweis:
Der Schnittdruck darf sich nicht zu groß aufbauen, es kann sonst passieren, dass das Holz unkontrolliert wegplatzt, womit die Schnitzarbeit meistens umsonst war und die Restenergie vom Werkzeug erst durch die Finger gebremst wird.
Eine Verletzung kann dazu führen an der Arbeit zu zweifeln und letztlich das Schnitzen völlig einzustellen; dazu darf es nicht kommen.
Das Werkzeug sollte lieber neu angesetzt (dünnerer Holzabtrag, wenn möglich andere Kraftrichtung) werden.

9. Thema: Proportionen des menschlichen Körpers

Hinweis: Sämtliche Zeichnungen vom weiblichen Körper wurden nach Fotos komponiert, deren Rechte ich habe.
Die männlichen Darstellungen habe ich aus verschiedenen zeichnerischen Elementen komponiert und am Rechner bearbeitet.
Die Gesichter aus meiner Erinnerung gezeichnet. Eine Übereinstimmung mit real existierenden Menschen wäre also rein zufällig, daher sind auch die manchmal nicht stimmig wirkenden Körper zu erklären, was aber nichts an den Proportionen verändert.

Für eine realistische Darstellung des menschlichen Körpers müssen die folgenden Gesetzmäßigkeiten zwingend beachtet werden.

Zwei Menschen sind äußerlich niemals völlig gleich, von zweieiigen Zwillingen einmal abgesehen.
Aus diesem Grund versucht man einen Idealkörper zu definieren (es gibt immer zeitgenössische Einflüsse) und legt folgende Orientierungswerte zu Grunde.

1. Der Kopf wird als Maß für den menschlichen Körper verwendet und definiert die Körperhöhe Mit 8 Kopf groß (ähnlich wie das Auge am Kopf).
Vom Scheitel bis zum Schritt beträgt der Körper 4 Kopfhöhen, ebenso wie vom Schritt bis zu den Füßen.

2. Vom Kinn bis zum Schritt misst der Rumpf etwa 3 Kopfhöhen, er wird vom Kinn bis zu den Brustwarzen und von dort bis zum Nabel in jeweils 1 Kopfhöhe unterteilt.

3. Sieht man sich die Arme an, so erkennt man auf beiden Zeichnungen, dass die Ellenbogen etwa 3 Kopfhöhen vom Scheitel entfernt sind, an den eingezeichneten Linien sehen wir auch, dass sie etwa auf Taillenhöhe liegen.
Die Handgelenke bilden mit der Schritthöhe ungefähr einer Linie.
Man erkennt ferner, dass die Ober- und Unterschenkel jeweils 2 Kopfhöhen groß sind.

Diese Betrachtung gilt für Mann und Frau gleich, auch wenn die Frau im Durchschnitt etwas kleiner als der Mann ist.

4. Unterschiede:

Die Schultern vom Mann sind etwa 2 Kopfhöhen breit und die Hüften 1,5 Kopfhöhen.
Der ideale Frauenkörper misst an den breitesten Stellen, das sind die Schultern und die Hüften, etwa 2 Kopfhöhen.

Wer sich an diese Maße hält, kann ganzfigürlich schon nicht mehr viel falsch machen,
er befindet sich auf dem Weg eine überzeugende Figur zu schnitzen.

Damit der wesentliche Unterschied im Körperbau von Mann und Frau deutlich wird, muss man sich den Rumpf des Mannes aus einem länglichen Trapez beim Oberkörper und einem kleineren Trapez an den Hüften vorstellen, beide Trapeze sind ineinander verschoben.

Bei der Frau sind die Trapeze von Oberkörper und Hüfte etwa gleich groß. Bei beiden Körpern sollte man immer von einer gedachten Mittellinie ausgehen.
Diese Vorstellung hilft uns Modellbauer beim aussägen und schnitzen der Körperformen, besonders dann, wenn die Figur aus Rumpf, Kopf, Arme und Beine getrennt hergestellt (auch bei Hinterschneidungen notwendig) und anschließend zusammengefügt werden.
Die Fehlerquote wird bei dieser Arbeitsweise relativ klein gehalten (übrigens sind viele Figuren in den Museen so hergestellt).

In der Seitenansicht habe ich die ca. Maße für die Körpertiefe von Mann und Frau eingetragen, auch hier helfen wieder geometrische Formen, etwa ein schlankes Trapez oder Rechteck, um die Formen zu bestimmen.

Durch gedachte, schlanke Trapeze, die ineinander verschoben werden, lässt sich ein Bein formen.
Die Falte in der Kniekehle, die Ober- und Unterschenkel trennt, liegt etwas höher als der Unterrand der Kniescheibe.
Der Fuß in der Seitenansicht ist etwas größer als 1 Kopfhöhe und kann als stumpfes, flaches Dreieck angesehen werden.
Ober- und Unterarm können für sehr flache Trapeze gehalten werden, aus denen der Arm geformt wird, der Oberarm läuft im Bogen in die Schulter.
Hand und Finger werden von Hilfslinien gebildet auf denen die Gelenke liegen.
Die ausgestreckte flache Hand ist etwas kleiner als 1 Kopfhöhe.
Mit Hilfe eines solchen Formengerüstes kann man sich recht systematisch eine Figur aufbauen und immer in kleinen Schritten die Schnitzarbeiten beginnen.

Es ist nicht so schwierig, wie es aussieht!

10. Thema: Herstellung einer Galionsfigur als Sägerohling

Es folgen die Arbeitsabläufe, mit Beispielen aus der Praxis.

Sinnvollerweise beginnt man mit dem Aussägen der Seitenansicht, weil für die Aufzeichnung der Vorderansicht Etwas Raum nach links oder rechts bleibt.

Bild 1: Die aufgezeichnete Seitenansicht.
Bild 2: Die ausgesägte Figur, immer Stege einsägen, das Sägeblatt verläuft nicht so schnell.

Bild 1: Das Einschneiden der Stege, idealerweise an der Bandsäge.
Bild 2: Das Glätten der rauen Sägefläche an der Bandschleifmaschine.

Bild 1: Hier zeigt sich der Vorteil, wenn die Gesichtsfläche eben geblieben ist.
Die Vorlage lässt sich gut übertragen.
Bild 2: Hier sieht man wie auf der unebenen Fläche der aufgezeichnete Körper aussieht.
Der Bauchnabel wird markiert und dient als Bezugspunkt.

Bild 1: Mit einer Papierschablone wurden die Körperumrisse aufgezeichnet.
Bild 2: Die inneren Konturen muss man so gut es geht freihändig aufzeichnen.
Leichte Ungenauigkeiten werden beim Schnitzen noch ausgeglichen.

In dieser Bildfolge sieht man die ausgesägte Figur in den wichtigsten Ansichten.

11. Thema: Bearbeiten des Sägerohlings

Hinweis: Die Fotos zeigen die Figur teilweise im Schraubstock aber nur, damit ich die Werkzeuge
Für die Fotos ausrichten kann.

Bild 1: Hier kommen Hilfsmittel ins Spiel, die ich bisher nicht erwähnt habe:
Kopfbandlupe, Stechzirkel und maßstabgerechte Vorlage.
Bild 2: Zunächst die Konturen so genau wie möglich nacharbeiten.
Bild 3: Der Bauchnabel wird mit einem 0,5 mm Bohrer markiert und dient als Bezugspunkt, ebenso die aufgezeichnete Mittellinie, sie ermöglicht mit dem Stechzirkel die Maße zu kontrollieren.
Bild 4: Durch das Schnitzen geht ja die Aufzeichnung verloren und sollte (wo es geht) von Hand nachgezeichnet werden.

Bild 1: Entlang der Linie Nasenwurzel innerer Augenwinkel wird das Holz eingestochen und auf der Gegenseite wiederholt. Das Holz wird geringfügig abgetragen (Stechbeitel im re. Winkel halten) eine schwache Kante wird sichtbar.
Bild 2: Unter der Nasenwurzel einstechen.
Bild 3: Von der Lippenoberkante das Holz bis zur Nase geschwungen abtragen, die Lippen selbst bleiben unberührt. Unter der Nase entsteht eine Vertiefung, die auf beiden Seiten um die Nase herumgeführt wird und sich mit der Fläche (wie unter 1 beschrieben) verbindet.
Bild 4: Bei der Oberkante vom Augenlied wird eingestochen.
Bild 5: Ebenso unterhalb der Augenbraue, das Einstechen muss den geschwungenen Linien des Auges folgen.

Bild 1: Als nächstes wird an der Gesichtsgrenze zum Haaransatz eigestochen.
Bild 2: Nach allen Seiten wird von innen nach außen Holz abgetragen (immer etwas ballig) und der Gesichtsform angepasst.
Bild 3: Die Formen werden etwas weiter herausgearbeitet (wie oben beschrieben).
Bild 4: An den freien Stellen kann auch das schmale Schnitzmesser angewendet werden.

Bild 1: Auf dem Bild sieht man, wie das Holz aus recht breiten Jahresringen besteht. In solchen Fällen sollte das breite Schnitzmesser verwendet werden, weil die Schneide meistens in einen harten Ring und der weichen Zwischenschicht eingreift und somit saubere Schnitte entstehen.
Bild 2: Hier kann man schon gut erkennen, wie sich die Gesichtszüge formen. Bei der weibl. Oberweite werden manchmal folgende Fehler gemacht:
- Sie darf nicht pyramidenförmig geschnitzt werden, sondern muss natürlich fallen (Implantate gab es damals noch nicht).
- Die Brustwarzen liegen immer leicht außerhalb von der Brustmitte.
Werden diese Punkte beachtet, befindet sich auf einer überzeugenden Darstellung.

Bild 1: Am Rücken wird von den Schultern bis zur Gürtellinie wird mit dem Hohlbeitel eine (von der Seite gesehen) geschwungene Linie geschnitzt.
Bild 2: Mit dem breiten Schnitzmesser wird von dieser Linie ausgehend die Rückenform bearbeitet.
Hier sieht man ebenfalls, wie der Körper abgerundet und die Trennlinie am Gesäß angefangen wurde.

Hier noch eine Zeichnung, die als Hilfsmittel für die Kontrolle der seitlichen Kopfform dienen kann.
Die Kontrolle erfolgt praktischerweise mit dem Stechzirkel.

12. Thema: Vom Grobschnitzen zum Feinschnitzen

In den folgenden Darstellungen sieht man die linke Körperseite der Figur (fast) fertig geschnitzt,
zum Vergleich mit der rechten Körperseite, die sich noch im roh geschnitzten Zustand befindet

Die 3 wichtigsten Ansichten

Bild 1: Vorderseite (Gesicht und Hals).

Bild 2: Seitenansicht (Bauch).

Bild 3: Rückenansicht (Gesäß mit Grübchen).

Die Pfeile an der Figur geben Hinweise, wie ein möglichst perfekt geschnitzter Kopf aussehen sollte (sofern der Maßstab das zulässt).
Die Bilder neben der Figur zeigen einige Werkzeuge, aber längst nicht alle, die an den betreffenden Stellen Verwendet wurden.

Hinweis: Damit meine Finger die Figur farblich nicht überlagern, habe ich sie in den Bildern abgeschwächt.

Bild 1: Das Auge wird vertieft auf ca. 0,16 Kopfhöhe (nachfolgend KH) von der Nasenspitze aus gemessen.
Bild 2: Mit einer oval geformten Injektionsnadel werden die Augenlider gestochen.
Bild 3: Eine leicht hohl geschnitzte Schläfe betont die steil geformte Stirn.
Bild 4: Die Ohrmuschel liegt 0,52 KH von der Stirn entfernt und sollte außen Konturenscharf geschnitzt werden (sofern das Ohr frei liegt). Das innere Ohr wird leicht vertieft geschnitzt.
Bild 5: Die Wange sollte mit dem unteren Augenlid auf einer Höhe liegen und leicht geschwungen zum Kieferknochen verlaufen. Die Kante vom Kieferknochen muss einen kleinen Radius erhalten.
Bild 6: Der Mundwinkel der Oberlippe wird leicht nach oben gezogen, die Unterlippe endet noch vor dem Mundwinkel bzw. der Oberlippe.
Die Form des Kinns darf seitlich gesehen nicht über die Lippen hervorragen!

Bild 1: Die Partie am Hals und Schlüsselbein sollte herausgearbeitet werden.
Bild 2: Die weibliche Brust sollte weder untertrieben (raten ob Mann oder Frau) noch übertrieben werden. Am Schnitzbeispiel sieht man, dass die rechte Brust noch zu wuchtig erscheint. Eine gefällige Brust wird auf der Unterseite halbrund geschnitzt, die Brustspitze etwas gerundet und die Oberseite läuft sanft zum Körper aus.
Bild 3: Die Kreisform der Brustwarze wird mit einer scharf geschliffenen Injektionsnadel gestochen.
Bild 4: Die Brustunterseite sollte fast senkrecht auf den Körper treffen.

Bild 1: Die Schultern nicht zu schräg halten.
Bild 2. Besonders am Rücken kann man zügig mit dem Schnitzmesser das Holz abtragen.
Bild 3: Falls möglich kann man die Grübchen über dem Gesäß formen.
Bild 4: Die Schnittkanten werden an der gesamten Figur mit Feilen geglättet/gerundet.
Bild 5: Eine weitere Verfeinerung der Oberfläche erreicht man durch Schaben mit dem Stechbeitel, hier sieht man, dass eine leichte Balligkeit der Klinge von Vorteil ist.
Bild 6: Das abschließende Polieren erfolgt mit Messing- und/oder Nylonbürsten.

Zum Schluss nochmal die Schwerpunkte:

- Übertragen von Zeichnungsvorlagen
- Verwendung von Schnitzwerkzeugen
- Proportionen am menschlichen Körper

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