Blick in die Ausstellung „Inseln der Winde“
Ausstellung Inseln der Winde
Text: Joachim Müllerschön Bilder: Uwe Müller, Thomas Guttadin
Zurück in die Vergangenheit der Schifffahrt im Mittelmeer, genauer gesagt in die Bronzezeit (von ca. 3000 bis 1100 v.Chr.), ging die Reise für eine Gruppe Schiffsinteressierter am 1. Februar 2015. Das Treffen fand anlässlich der Sonderausstellung „Inseln der Winde“ im Museum für Antike Schifffahrt des Römisch-Germanischen Zentralmuseum (RGZM) in Mainz statt.
Die Sonderausstellung stellt das maritime Leben auf den ägäischen Inseln in der Bronzezeit dar. Den Kern der Ausstellung bilden sehr detaillierte Rekonstruktionen von Modelle der Boote und Schiffe von den Kykladen und der Minoer sowie eine Darstellung von Hafenanlagen aus dieser Zeit. Die Ausstellung präsentiert die Ergebnisse des gleichnamigen Forschungsprojektes der Universität Heidelberg unter Leitung des Archäologen Diamantis Panagiotopoulos und wurde in Zusammenarbeit mit dem Diplom Designer Thomas Guttadin und dem Architekten Gerhard Plath konzipiert. Von Thomas Guttadin stammen auch die zeichnerischen Schiffsrekonstruktionen sowie die fantastischen Holzmodelle in der Ausstellung.
Aufgrund des bruchstückhaften Wissens über das bronzezeitliche Seewesen und der bisherigen Vorgehensweise aus isolierten Quellen Rekonstruktionen von Archäologen vornehmen zu lassen, die mit Seefahrt und Schiffsbau nicht vertraut waren, konnten bislang keine zufriedenstellenden Ergebnisse erzielt werden. Das innovative Projekt „Inseln der Winde“ setzt genau an diesem Punkt an und vereint archäologische Methoden mit verschiedenen Rekonstruktionsmethoden in einem übergreifenden Ansatz.
Auf Basis einer umfassenden Auswertung von aussagekräftigem Bildmaterial, Tonscherben, etc. wurden digitale zwei- und dreidimensionale Modelle erstellt. Die Herstellung von darauf basierenden Modellen ermöglicht es erstmals den ägäischen Schiffsbau konkret zu fassen.
Bei diesem Treffen in Mainz hatten wir die Ehre von Herrn Guttadin selbst durch die „Inseln der Winde“ geführt zu werden. Mit seiner großen Fachkompetenz und seinem Enthusiasmus konnte er die Gruppe schnell von der minoischen Seefahrt und den Schiffen begeistern.
Die Reise durch „Die Inseln der Winde“ begann mit den Einbäumen in frühester Zeit, die zunächst nur aus ausgehöhlten Baumstämmen bestanden und im Laufe der Zeit durch aufgesetzte und zwischen gefügte Bretter die Entwicklung zum Plankenschiff durchliefen. Auch heute noch werden Boote in ganz ähnlicher Form bspw. in Ozeanien gebaut. Die ethnologischen Vergleiche halfen entscheidend bei der Rekonstruktion der prähistorischen Boote. Nach wie vor gibt es jedoch eine Reihe offener Fragen, wie bspw. die Größe der Boote betreffend, der genauen Interpretation der Striche und Dreiecke als Paddler oder der Bestimmung von Bug und Heck.
Der gesellschaftliche Umbruch hat wesentlich zur Entwicklung der Plankenschiffe beigetragen, denn diese konnten von kleinen Gruppen in geringerem Materialeinsatz in überschaubaren Zeiträumen gebaut werden. Außerdem konnten nun die Schiffe in Art und Größe ihrer Bestimmung besser angepasst werden. Aufgrund der bildhaft dargestellten Anzahl Ruderer ist es möglich, die Länge der damaligen Schiffe zwischen 7 und 15 Metern zu bestimmen. Eine interessante Diskussion ergab sich während der Führung aufgrund der immer wieder dargestellten großen Finne, die wohl eher das Heck denn den Bug repräsentiert.
Eine sehr interessante bildhafte Darstellung von Schiffen mit einer unglaublichen Detailfülle befindet sich auf dem sogenannten Westhaus-Fries. Diese Wandmalerei aus der Zeit am Übergang zur spätminoischen Periode um etwa 1700 v.Chr. wurde auf Thera gefunden. Auch hier gelang mit Hilfe eine Modellierung im Computer, die dann von Herrn Guttadin auch in Holzmodelle umgesetzt wurde. Diese geben Antworten auf eine ganze Reihe von Fragen, insbesondere betreffend der Fortbewegungsmethoden und der dargestellten Aufbauten. Die Schiffe waren bis zu 23 Meter lang. Über ihre Funktion als Kriegsschiffe und/oder für kultische Prozessionen herrscht keine Einigkeit. Der Bug war reich mit Ornamenten geschmückt, am Heck war eine Vorrichtung angebracht, die möglicherweise als Rammsporn gedeutet werden kann.
Neben den Schiffen selbst, waren auch die Hafenanlagen im Fokus der Untersuchung des bronzezeitlichen Seewesens in den Kykladen. Die geringen Überlieferungen und der starke Verlandungsprozess in 4000 Jahren stellten eine besondere Herausforderung für die Rekonstruktion dar. In Modellen werden plausible Darstellungen von solchen Hafenanlagen gegeben mit Ankerplätzen, Lagerhäusern und der ganzen Peripherie.
Durch die Anwendung verschiedener Rekonstruktionsmethoden, unter Einbeziehung ethnologischer Vergleiche und über die Rekonstruktion und den Bau von Modellen im Maßstab 1:10 ist es erstmals möglich geworden, das minoische Seewesen greifbar und begreifbar darzustellen.
Nach der ausführlichen und umfassenden Führung durch Herrn Guttadin, wurde die gemeinsame Zeit beim anschließenden gemütlichen Beisammensein in einem Mainzer Restaurant für viele interessante und anregende Gespräche genutzt. Aber auch das leibliche Wohl kam selbstverständlich nicht zu kurz.
Nachdem für verschiedene Mitglieder die Rückreise anstand, haben noch einige der Verbliebenen im Anschluß die restliche Zeit genutzt um bei einem nochmaligen Besuch des Museums die Nachbauten der römischen Galeeren und Schiffsbaukunst der Römer näher in Augenschein zu nehmen. Dies rundete den gelungenen Tag im Museum für Antike Schifffahrt des Römisch-Germanischen Zentralmuseum (RGZM) in Mainz ab.
Etwas detailliertere Berichte über die „Inseln der Winde“ können auf folgenden Internetseiten abgerufen werden:
http://www.uni-heidelberg.de/presse/ruca/2010-2/2arch.html
http://www.scinexx.de/dossier-561-1.html
Siehe auch:
Die Thera-Schiffe: Eine weitere Rekonstruktion.
Das Logbuch 2000, Heft 1, S. 4-18 mit Zeichnungen.